Rosa Winkel - Die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus
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Zeitzeugen zum homosexuellen Leben in Sachsen gesucht

Forschungsprojekt zur Homosexuellenverfolgung
in Sachsen 1933-1968 sucht Interviewpartner

Seit 1. April 2018 wird am Hannah-Arendt-Institut in Dresden die Verfolgung Homosexueller in Sachsen in den Jahren der NS-Diktatur und unter dem DDR-Regime erforscht. Dafür suchen die Wissenschaftler Zeitzeugen, die über das homosexuelle Leben im Sachsen der 40er, 50er und 60er Jahre berichten können. Gesucht werden nicht nur Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender, sondern auch Freunde, Familienangehörige, Kollegen, Mitarbeiter von Kneipen oder der Polizei, die aus eigener Anschauung über das damalige Klima Auskunft geben können.

Geplant sind längere Interviews, die auf Tonband aufgezeichnet werden sollen. Einzelne biografische Porträts sollen später in die Studie aufgenommen werden. Das hängt natürlich von der jeweiligen Bereitschaft der Interviewpartner ab. Auf Wunsch werden die Interviews selbstverständlich anonym durchgeführt.

Interessenten wenden sich bitte per Mail an den Projektleiter Alexander Zinn:

alexander.zinn@mailbox.tu-dresden.de

Zum Forschungsprojekt

Ziel des Forschungsvorhabens ist die wissenschaftliche Aufarbeitung der staatlichen Verfolgung Homosexueller in Sachsen in den Jahren der NS-Diktatur und unter dem DDR-Regime bis zur Aufhebung des § 175 StGB im Jahr 1968. Die nationalsozialistische Verfolgungspolitik ist bislang nur lückenhaft aufgearbeitet, zu Sachsen gibt es noch keine Studie. Weitgehend unerforscht ist die Situation in der Nachkriegszeit, hier wird die Studie Pionierarbeit leisten.

Der Leipziger Walter Schwarze ist einer der
wenigen sächsischen Homosexuellen, die
bislang über ihre Verfolgung berichtet haben

Bildquelle: Schwules Museum


Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die strafrechtliche Verfolgung. Mit Sachsen wird die regionale Umsetzung in einem Flächenland in den Fokus gerückt: die Unterschiede zwischen Stadt und Land, die Rolle von Polizei, Justiz und Bevölkerung sowie – nicht zuletzt – die der Betroffenen selbst. Im ersten Teil geht es um die NS-Zeit: Mit welchem Elan setzten die Verfolgungsbehörden den 1935 massiv verschärften § 175 durch, der die „Unzucht“ unter Männern mit Gefängnis bedrohte? Welche Bedeutung hatte der neu geschaffene § 175a? Wie viele Homosexuelle wurden verurteilt? Wie hoch war der Anteil derjenigen, die in Konzentrationslager verschleppt und dort zu Tode gequält wurden? Wie reagierte die Bevölkerung und welche Spielräume gab es – trotz alledem – für homosexuelles Leben?

Der zweite Teil beleuchtet die Situation zwischen 1945 und 1968. Ein Schwerpunkt wird bei den langwierigen Debatten um eine Entschärfung des § 175 und den letztlich erfolglosen Bemühungen um eine Rehabilitierung homosexueller NS-Opfer gesetzt. Darüber hinaus geht es um die Auswirkungen des § 175 auf das Alltagsleben Homosexueller in den 1950er und 60er Jahren. Wie entwickelte sich die Rechtsprechung sächsischer Gerichte nach der Entscheidung des Obersten Gerichts der DDR vom 28. März 1950, das die „Neufassung“ des § 175 aus dem Jahr 1935 als „nazistisch“ verwarf und die mildere „Weimarer Fassung“ wieder in Kraft setzte? Wurde die Verfolgung der Homosexualität unter Erwachsenen tatsächlich eingestellt, wie immer wieder spekuliert wird? Der zweite Teil der Untersuchung zielt darauf, die Kontinuitäten, Brüche und allmählichen Liberalisierungsprozesse im Umgang mit Homosexualität und Homosexuellen nach 1945 - auch im Vergleich zur Situation in der Bundesrepublik - zu untersuchen.

Mit der Verfolgung Homosexueller in Sachsen widmet sich das Forschungsvorhaben einem lange tabuisierten Thema, dessen Aufarbeitung nach der im Juni 2017 vom Bundestag beschlossenen Rehabilitierung der nach den §§ 175/175a verurteilten Männer ansteht.

Weitere Informationen auf der Website des Hannah-Arendt-Instituts

© Alexander Zinn 2017