Werner Freiherr von
Fritsch
Generaloberst,
1936-1938 Oberbefehlshaber
des Heeres
Thomas Ludwig
Werner Freiherr von Fritsch wird am 4.8.1880 in Benrath geboren.
Nach dem Abitur beginnt Fritsch 1898 eine Militärkarriere beim
preußischen Heer in Darmstadt. Im Ersten Weltkrieg dient er
als Generalstabsoffizier in verschiedenen Funktionen. Nach dem Krieg
wird Fritsch in die Reichswehr übernommen und zunächst
im Reichswehrministerium eingesetzt. Später fungiert er als
Kommandeur verschiedener Regimenter, 1930 avanciert er zum Generalmajor.
Nach der NS-Machtübernahme wird Fritsch von Reichspräsident
Hindenburg zum Chef der Heeresleitung ernannt. Im Juni 1935 wird
er Oberbefehlshaber des Heeres, am 20.4.1936 befördert ihn
Hitler zum Generaloberst.
Fritsch gilt
als Vertreter des preußischen Konservativismus. Bis heute
wird ihm auch eine heimliche Gegnerschaft zum NS-Regime unterstellt.
Dieser Mythos speist sich nicht zuletzt aus dem sogenannten Hoßbach-Protokoll
über eine Besprechung von Hitlers Kriegsplänen am 5.11.1937,
gegen die Fritsch angeblich Bedenken äußerte.
Fritschs Absetzung
als Oberbefehlshaber des Heeres wird
bis heute meist in diesem Kontext interpretiert. Der Vorwurf der
Homosexualität, der im Januar 1938 zu seiner Entlassung führt,
wird in der Regel als Intrige der Gestapo betrachtet,
mit der man einen Gegner von Hitlers Kriegsplänen habe loswerden
wollen.
|
|
 |
Dieser über
Jahrzehnte gepflegte Mythos, der nicht nur der Ehrenrettung Fritschs
dient, sondern die gesamte Wehrmacht reinwaschen soll, wird erst in
den 90er Jahren durch eine Untersuchung von Fritz Tobias und Karl-Heinz
Janßen infrage gestellt. Sie können überzeugend darlegen,
dass Fritsch weder ein Kriegs- noch ein Nazi-Gegner ist was
die These einer Gestapo-Intrige freilich noch nicht widerlegt, denn
unter konservativen Regimekritikern betrachtet man Fritsch dennoch
als einen Hoffnungsträger und auch bei der Gestapo scheint man
in ihm einen der stärksten und bedeutendsten Gegner des
Nationalsozialismus zu sehen. Tobias und Janßen können
aber trotz kleinerer Mankos in ihrer Darstellung nachweisen,
dass die Gestapo den Vorwurf der Homosexualität keineswegs als
Vorwand nutzt, um Fritsch auszuschalten. Denn der Berliner
Strichjunge und Erpresser Otto Schmidt, der im Zuge der antihomosexuellen
Verhaftungswelle von 1934/35 festgenommen wird, erklärt bereits
im Mai 1936 gegenüber dem Untersuchungsrichter, den Generaloberst
Ende 1933 bei homosexuellen Handlungen beobachtet und erpresst zu
haben.
Die Ermittlungen
gegen Fritsch beginnen also lange vor jener Tagung vom 5.11.1937,
bei der sich der Generaloberst angeblich Hitlers Kriegsplänen
entgegenstellt. Und ihr Auslöser ist ganz offensichtlich, dass
man bei der Gestapo glaubt, in Fritsch einen jener einflussreichen
Homosexuellen enttarnt zu haben, die den Bestand des nationalsozialistischen
Männerstaates bedrohen. Heydrich wertet die Möglichkeit
einer Erpressung des Oberbefehlshabers der Armee als höchste
Staatsgefährdung. Und Himmler, der wohl ebenfalls glaubt,
die Seuche der Homosexualität habe bereits die Spitze
der Wehrmacht infiziert, legt die Ermittlungsakte noch im
Sommer 1936 Hitler vor. Doch der will von der Sache nichts wissen,
nicht zuletzt, weil ein Wechsel an der Spitze der Wehrmacht kurz
nach dem Einmarsch deutscher Truppen ins entmilitarisierte Rheinland
höchst ungelegen käme. Hitler befiehlt, den Wisch
[die Gestapoakte] zu vernichten.
Im Januar 1938
ist die Situation allerdings eine andere. Nachdem Kriegsminister
Blomberg über seine Hochzeit mit einer ehemaligen Prostituierten
stürzt, gilt Fritsch als möglicher Nachfolger. Nun will
Hitler sichergehen, dass er sich mit ihm nicht die nächste
Moral-Affäre an Land zieht und lässt die Gestapoakte aus
dem Jahr 1936 rekonstruieren. Himmler, der sich Hoffnungen auf eine
führende Rolle in der Wehrmacht macht, scheint Hitlers
wachsendes Misstrauen auch aus diesem Grund zu schüren.
Und Fritsch, mit den Vorwürfen konfrontiert, reagiert so ungeschickt,
dass Hitler ihn, schließlich von seiner Schuld überzeugt,
entlässt.
Erst im folgenden
Kriegsgerichtsverfahren dem Hitler kaum zugestimmt hätte,
wenn er eine Gestapo-Intrige für möglich gehalten hätte
stellt sich heraus, dass Otto Schmidt den Generaloberst mit
einem Rittmeister von Frisch verwechselt hat. Ein Beleg für
die dilettantischen Ermittlungsmethoden der Gestapo. So insbesondere
des Leiters des Gestapo-Homosexuellendezernats Josef Meisinger,
der sich, eine Karrierechance witternd, mit großem Ehrgeiz
und übereifrig auf den Fall stürzt, über fragwürdige
Punkte in Schmidts Aussagen aber einfach hinweggeht. Kein Beleg
freilich dafür, dass die Gestapo Fritsch mit einem gedungenen
Zeugen als Homosexuellen verleumdet, um ihn zum Rücktritt
zu zwingen.
Dennoch findet
diese Version der Affäre in der Nachkriegszeit große
Verbreitung. Fritsch wird zum Märtyrer stilisiert: ein Wehrmachtsgeneral,
der das Opfer einer von der Gestapo inszenierten Intrige wird, weil
er sich Hitlers Kriegsplänen entgegenstellt. Die Entlassung
Fritschs, so etwa der Fritsch-Neffe Kielmansegg, sei der entscheidende
Wendepunkt in der deutschen Geschichte nach 1933, während
zuvor angeblich noch die Möglichkeit bestanden habe, die
deutsche Entwicklung in vernünftige Bahnen zu lenken.
Nicht zuletzt
aber trägt die Fritsch-Affäre auch dazu bei, das geschichtswissenschaftliche
Paradigma von der Homosexuellenverfolgung als politischem Vorwand
zu etablieren: Die Vorstellung, die Gestapo und auch Hitler hätten
Homosexualität in der Regel nur als Vorwand genutzt,
um in gut gespielter tiefer sittlicher Empörung
politisch missliebige Personen kaltzustellen, beherrscht die einschlägigen
Publikationen noch bis in die 90er Jahre.
Literaturtipps:
Karl-Heinz Janßen
/ Fritz Tobias: Der Sturz der Generäle. Hitler und die Blomberg-Fritsch-Krise
1938. München 1994: C.H. Beck.
Graf Kielmansegg:
Der Fritsch-Prozess 1938. Ablauf und Hintergründe. Hamburg
1949: Hoffmann und Campe.
Alexander Zinn:
»Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle
Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link
zum Buchtipp
|