Die genauen
Hintergründe der Verhaftung sind unklar. Heckmann erklärt
später, ohne akuten Anlass festgenommen worden zu sein. Hinweise
auf einen Prozess wegen § 175 finden sich in den in Frage kommenden
Archiven nicht. Heckmann wird offenbar ohne Strafverfahren in "Schutzhaft"
genommen und ins KZ Dachau eingewiesen ein im Rahmen der
Homosexuellenverfolgung eher ungewöhnliches Vorgehen.
Nach zwei Jahren
in Dachau wird Heckmann 1939 ins Konzentrationslager Mauthausen
verlegt. Wie die meisten "Rosa-Winkel-Häftlinge"
wird auch er der Strafkompanie im Steinbruch zugeteilt. Heckmann
gelingt es schließlich, das Wachpersonal auf sein musikalisches
Talent aufmerksam zu machen. Zunächst 'darf' er mit einem Trio
für SS-Angehörige und die Lagerleitung musizieren. Später
leitet er das sogenannte "Zigeunerorchester" und wirkt
beim großen Lagerorchester als Harmonikaspieler und Schlagersänger
mit. Dieser Aufstieg in der 'Lagerhierarchie' ist es denn wohl auch,
der Heckmann das Überleben sichert.
Nach der Befreiung
versucht er wieder als Berufsmusiker Fuß zu fassen. Er spielt
als Alleinunterhalter in verschiedenen Hotels und Restaurants. Doch
es gelingt ihm nicht, an seine Vorkriegserfolge anzuknüpfen.
Nicht zuletzt wohl auch deswegen, weil er unter den Nachwirkungen
der langjährigen KZ-Haft leidet. In einem Antrag auf Wiedergutmachung
schreibt er 1954, er habe unter "Rheuma
und Nervenentzündungen in den Schulter- und Armgelenken zu
leiden, was mich in der Ausübung meines Berufes stark behindert.
Der Antrag wird 1960 abgelehnt mit der Begründung, er sei "nur
als Homosexueller wegen Verbrechens gegen § 175 StGB in Haft
gehalten" worden im Bundesentschädigungsgesetz
wird Homosexualität als Verfolgungsgrund nicht anerkannt.
Wie viele in
der NS-Zeit verfolgte Homosexuelle heiratet Heckmann nach dem Krieg.
In seiner Familie wird die Verfolgungsgeschichte tabuisiert und
auch Heckmann schweigt darüber. Nach
seiner Verrentung in den späten 60er Jahren führt er ein
zurückgezogenes Leben in Wuppertal, wo er am 10.3.1995 stirbt.
Der Dokumentarfilm
"Klänge des Verschweigens"
Erst wenige
Jahre vor Heckmanns Tod erfährt sein Neffe Klaus Stanjek durch
Zufall von der KZ-Haft des Onkels. Er beginnt zu recherchieren und
arbeitet mehr als zwei Jahrzehnte an einem Dokumentarfilm über
Heckmanns Schicksal. 2012 feiert der Film "Klänge des
Verschweigens" schließlich Premiere. Der Film dokumentiert
die Lebensgeschichte Heckmanns, in erster Linie geht es aber um
die Tabuisierung des Themas nach 1945.
Ohne Umschweife
thematisiert Stanjek das von Mutter und Tanten in die Welt gesetzte
Gerücht, der Onkel habe eine Vorliebe für kleine Jungs
gehabt, ja er habe einen Hitlerjungen verführt, den Sohn eines
prominenten Nazis, und sei deswegen ohne Prozess direkt ins KZ gekommen.
Sofort drängt sich die Frage auf: Müssen wir uns mit solchen
Klischees wirklich auseinandersetzen? Stanjek, der eine sehr emotionale
Beziehung zu seinem Onkel hatte, macht es. Er befragt sich selbst,
rekonstruiert mit animierten Szenen die kindlichen Spiele mit seinem
Onkel, gemeinsam in einem Bett. Und er fragt sich: War das eventuell
mehr? Habe ich etwas verdrängt?
Doch so befremdlich
diese Frage auf den ersten Blick wirken mag, so richtig ist es,
sie zu stellen. Denn sie führt ins Zentrum des Films: Zu der
Frage, wieso das 'Geheimnis' des Onkels, von dem merkwürdigerweise
fast alle wussten, so lange verschwiegen wurde. Mit seiner schonungslosen
Interview- und Kameraführung gelingt es Stanjek schließlich,
der Verwandtschaft mehr zu entlocken, als ihr lieb ist. Und das
Fortwirken der Stereotype, mit denen die Nationalsozialisten Homosexuelle
zu Volks- und Staatsfeinden stilisierten, zu entlarven. Der "homosexuelle
Kinderschänder", so zeigt sich bald, ist vor allem ein
Fantasiebild, evoziert durch die Propaganda, die die Verfolgungsmaßnahmen
begleitete und für die nicht nur Stanjeks Mutter als BDM-Führerin
äußerst anfällig war.
Über Jahrzehnte
verhindert der schlimme Verdacht jegliche Kommunikation über
die langen Leidensjahre des Onkels. Ein Problem, zu dem auch Heckmann
beiträgt, indem er beharrlich schweigt und sich auch den Fragen
des Neffen verweigert. Und so bleibt lange nichts als ein "wissendes
Beschweigen", das nicht nur das Familienleben der Heckmanns/Stanjeks
prägt, sondern typisch erscheint für das gesellschaftliche
Klima der frühen Bundesrepublik, ja womöglich typisch
für einen Umgang mit dem "Tabu" Homosexualität,
den viele Familien bis heute pflegen.
Weitere Informationen:
http://www.klaenge-des-verschweigens.de/
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