Rosa Winkel - Die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus
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Kuno Fiedler

Theologe und Pädagoge

Johann Kuno Fiedler wird am 3.8.1895 in Schwiebus geboren, in Leipzig studiert er Theologie und Philosophie. Nach seiner Promotion arbeitet Fiedler zunächst als Diakon in Oberplanitz. Als er 1920 seine Schrift „Luthertum oder Christentum?“ publiziert, in der er Jesus Offenheit gegenüber der Homosexualität unterstellt, wird er aus dem Kirchendienst entlassen. Er macht eine Ausbildung zum Lehrer, wird 1926 Studienrat an der Oberrealschule in Neustadt/Orla, 1929 wechselt er nach Altenburg.

In den 20er Jahren ist Fiedler politisch sehr engagiert, neben reformpädagogischen und pazifistischen Vereinigungen gehört er auch schon früh Organisationen der Homosexuellenbewegung an. 1923 nimmt er an Sitzungen der von Ewald Tscheck gegründeten „Akademischen Arbeitsgemeinschaft A.A.G.“ teil, die „für die Auswirkung des mann-männlichen Eros im öffentlichen Leben einzutreten“ gedenkt. Später ist er in der „Gemeinschaft der Eigenen“ aktiv, der nach dem „Bund für Menschenrecht“ und dem „Wissenschaftlich-humanitären Komitee“ dritten wichtigen Homosexuellenorganisation der 20er Jahre.

Als Lehrer an der Altenburger Oberrealschule steht er „bei seinen Schülern in hohem Ansehen“, wie diese in einem Brief bekunden. Ihm gelingt es „durch seine

Kuno Fiedler mit Thomas und Katja Mann
Kuno Fiedler (rechts) mit Katja und Thomas Mann
Bildquelle: Literaturarchiv Monacensia

offenherzige, feinsinnige Art ihre Herzen“ zu gewinnen, offenbar hat er die Gabe, „den einzelnen Schüler seinem Wesen nach zu verstehen und zu fördern“. Als die NSDAP im Sommer 1932 in Thüringen die Macht übernimmt, kommt es zu einem Konflikt mit Fiedler, der sich weigert, seine Schüler einen Spruch gegen den Versailler Vertrag aufsagen zu lassen. Fiedler wird schließlich entlassen.

1934 zieht er nach Dettingen, wo er 1936 ins Visier der Gestapo gerät. Diese unterstellt ihm, einen Spionagering auf homosexueller Grundlage zu betreiben. Bei seiner Verhaftung am 3.9.1936 benimmt sich Fiedler in den Augen der Gestapo-Beamten "äusserst frech und arrogant". Selbstbewusst erklärt er, er sei "Homosexueller", "Landesverräter" und "Staatsfeind". Nach zwei Wochen Haft gelingt ihm Flucht aus dem Landgerichtsgefängnis in Würzburg. Mit Hilfe von Freunden kann Fiedler sich in die Schweiz absetzen, wo er zunächst bei Thomas Mann unterkommt, mit dem ihn eine alte Freundschaft verbindet. Die Universität Leipzig entzieht ihm daraufhin seinen Doktortitel. Fiedler bleibt in der Schweiz, am 18.8.1973 stirbt er in Purasca.

Literaturtipps:

Klaus Bäumler: Kuno Fiedler (1895-1973). Ein deutsches Schicksal, dem Vergessen entreißen. S. 143-173 in: Thomas Heißerer (Hrsg.): Thomas Mann in München. Vortragsreihe Sommer 2003. München 2004: peniopel.

Kuno Fiedler: Luthertum oder Christentum? Dresden 1920: Bleyl & Kaemmerer.

Kuno Fiedler: Über Mauern hinweg. Die Geschichte einer Flucht. München 1973: Herbert Post Presse.

Alexander Zinn: »Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link zum Buchtipp

© Alexander Zinn 2017