Im Zuge der
im Winter 1934/35 einsetzenden Homosexuellenverfolgung gerät
auch Gercke ins Visier der Gestapo. Ob er auch verhaftet wird, wie
es die Exilzeitung Pariser Tageblatt am 19.2.1935 berichtet,
ist nicht mehr zu klären in seiner Personalakte finden
sich darauf keine Hinweise. Der Gestapo gelingt es schließlich,
Gercke eine homosexuelle Handlung im April 1934 in Würzburg
nachzuweisen. Allerdings handelt es sich um keine strafbare Handlung
im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zu § 175.
Im Folgenden werden auch die ,Jugendsünden' Gerckes aufgedeckt.
Für die Gestapo ist das Grund genug, auf die Entlassung Gerckes
aus dem Staatsdienst und seinen Ausschluss aus den NS-Organisationen
zu dringen ganz
im Sinne der Verschwörungstheorie einer homosexuellen Unterwanderung
des NS-Staates.
Gercke und sein
Mitarbeiter Dr. Hagen werden denn auch im Februar 1935 wegen
der bekannten Vorkommnisse mit sofortiger Wirkung gekündigt.
Später werden mit beiden Auflösungsverträge geschlossen.
Anders als die Gestapo zeigt sich das Reichsinnenministerium dabei
relativ verständnisvoll. So habe es sich bei Gerckes frühen
homosexuellen Kontakten wohl um Verirrungen des Gefühlslebens
in der Jünglingszeit gehandelt. Und auch Gerckes Beteuerung,
der Vorfall aus dem Jahr 1934 sei der einzige Rückfall
und dem Einfluss des Alkohols zuzuschreiben gewesen,
hält man für durchaus glaubhaft.
Neben seinem
Amt im Innenministerium verliert Gercke auch sein Abgeordnetenmandat,
zum 8.4.1935 scheidet er aus dem Reichstag aus. Darüber hinaus
wird er per einstweiliger Verfügung aus der NSDAP ausgeschlossen.
Ob gegen Gercke nach der Verschärfung des § 175 noch ein
Strafverfahren eingeleitet wird, wie es im Fall von Helmuth
Brückner geschieht, ist unbekannt. Dass Gercke im Zweiten
Weltkrieg einem Bewährungsbataillon zugeteilt worden sein soll,
könnte man als Hinweis auf eine entsprechende Verurteilung
werten.
Nach 1945 arbeitet
Gercke im Landeskirchlichen Archiv der evangelisch-lutherischen
Landeskirche Hannovers und als Standesbeamter in Adensen, überdies
betätigt er sich als Genealoge und verfasst heimatkundliche
Bücher. Er stirbt am 27.10.1997.
Literaturtipps:
Alexander Zinn:
Die soziale Konstruktion des homosexuellen Nationalsozialisten.
Zu Genese und Etablierung eines Stereotyps. Frankfurt am Main
1997: Peter Lang.
Alexander Zinn:
»Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle
Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link
zum Buchtipp
Alexander Zinn:
Schwule
Nazis. Homosexuelle in Presse und Propaganda der Linken.
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