Rosa Winkel - Die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus
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Robert Oelbermann

Gründer des Nerother Wandervogels

Robert Oelbermann und sein Zwillingsbruder Karl werden am 24.4.1896 in Bonn geboren. Die beiden verlieren früh ihre Eltern, seit 1910 sind sie in einem evangelischen Alumnat untergebracht, 1911 treten sie dem Wandervogel bei, 1914 melden sie sich freiwillig zum Kriegsdienst.

Fasziniert von den Ideen Hans Blühers und Gustav Wynekens distanzieren sich die Brüder zunehmend vom Wandervogel. Dabei geht es auch um das Verhältnis zur Homosexualität. 1921 gründen sie schließlich den Nerother Wandervogel, in dem das Konzept des 'pädagogischen Eros' offen propagiert wird. Nach der NS-Machtübernahme kommt es 1933/34 zur Selbstauflösung – die meisten Gruppen versuchen, ihre Strukturen und Ideale durch einen geschlossenen Übertritt in die HJ zu retten.

Im Zuge der NS-Homosexuellenverfolgung werden seit Ende 1935 schließlich zahlreiche HJ-Führer verhaftet, die einst dem Nerother Wandervogel angehörten. Robert Oelbermann wird am 14.2.1936 festgenommen. In einem Brief verteidigt er die Homosexualität daraufhin – ganz im Sinne Blühers – als „alleine staatsgründend“: So ließe sich nicht nur als „einwandfreie Tatsache feststellen, dass alle wirklichen Führer gleichgeschlechtliche Neigungen haben“, auch „alle wirklich großen Taten und Werke“ entstünden „aus diesem Trieb heraus“. Auch deswegen sei es „das größte menschliche und staatsschädigende Unrecht, die gleichgeschlechtliche Liebe als unnormal, krankhaft und strafbar hinzustellen“.

Robert Oelbermann
Robert Oelbermann
Bildquelle: Archiv der dt. Jugendbewegung, P 1 Nr. 914.


Im Juli 1936 wird Oelbermann zu 21 Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe wird er in „Schutzhaft“ genommen und ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Dort entwickelt er sich zu einer wichtigen Identifikationsfigur, nicht zuletzt für die Rosa-Winkel-Häftlinge. Im Lager gilt er schon bald als "Führer der 175er", wie der Lagerälteste Harry Naujoks in seinen Erinnerungen schreibt. Als sogenannter „Blockältester“ von Block 14, in dem viele Homosexuelle konzentriert sind, kann er einiges für den Zusammenhalt der Rosa-Winkel-Häftlinge bewirken. Wenn die SS-Führer abends ihren Saufgelüsten frönen, werden in Block 14 Vorträge, Musikabende und Kabarettaufführungen veranstaltet. Die SS verhängt schließlich sogar ein Besuchsverbot für diesen Block, wohl weil sie fürchtet, er könne „geradezu zu einem Zentralpunkt des Lagers werden“, wie der Häftling Albert Christel später berichtet.

Der von Robert Oelbermann geleitete Block 14 wird im Frühjahr 1940 aufgelöst, die meisten homosexuellen Häftlinge werden in andere Konzentrationslager verlegt. Oelbermann selbst wird im August nach Dachau transportiert. Sieben Monate später, am 29. März 1941, stirbt er dort, laut offiziellem Bericht an „Versagen von Herz und Kreislauf bei Asthma und Oedemen“.

Literaturtipps:

Stefan Krolle: "Bündische Umtriebe". Geschichte des Nerother Wandervogels vor und unter dem NS-Staat. Ein Jugendbund zwischen Konformität und Widerstand (= Geschichte der Jugend, Bd. 10). Münster 1985: Lit.

Andreas Sternweiler: Homosexuelle aus der Jugendbewegung. S. 109-149 in: Müller / Sternweiler: Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen. Berlin 2000: Rosa Winkel.

Alexander Zinn: »Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link zum Buchtipp

© Alexander Zinn 2017