Heinrich Barthel
Landgerichtsrat
Heinrich Günther
Barthel wird am 22.5.1904 in Gera geboren. Nach dem ersten juristischen
Staatsexamen im Juni 1932 durchläuft er verschiedene Stationen
des Referendariats. Zum 1.5.1933 tritt er SA und NSDAP bei
er gehört also zu den opportunistischen Staatsdienern, die
von den alten Kämpfern der NSDAP wegen ihres späten
Parteieintritts sarkastisch als Märzgefallene bezeichnet
werden. Vom 1.10.1935 bis 16.1.1936 ist er als Hilfsrichter am Landgericht
Altenburg tätig. Nach dem zweiten Staatsexamen wird er am 1.12.1936
Landgerichtsrat in Gera.
Im Herbst
1935 lernt Barthel den damals 19-jährigen Reinhold
Winter kennen. Winter setzt sich im Kaffee Volkstädt zu
Barthel an den Tisch und verwickelt ihn in ein Gespräch, bei
dem er sich in besonders günstigem Licht darstellt. Barthel
berichtet darüber später: Ich habe zunächst
überhaupt nicht angenommen, dass Winter einfacher Schlosser
sei. Ich hatte mehr den Eindruck und das hat er zunächst auch
gesagt, dass er Volontär sei und später eine technische
Ausbildung durchführen wolle. Nach
ihrem zweiten Rendezvous im Kaffee Volkstädt nimmt Barthel
Winter mit auf sein Zimmer, das er in der Altenburger Kanalstraße
zur Untermiete bewohnt.
Winter kommt
in der Folgezeit öfter zu Besuch bevor er klingelt,
schaut er in der Regel, ob Barthels Zimmer im 2. Stock erleuchtet
ist. Dass die Wirtin das Nachbarzimmer bewohnt, hindert die
beiden nicht, sich auch körperlich näher zu kommen. So
berichtet Winter:
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Nebenan
wurde wieder Radio gespielt, Barthels Wirtin hatte, wie es schien,
Besuch. [
] Bei diesem Besuch hatte er eine scherzhafte Bemerkung
fallen lassen. Ich gab ihm da einen leichten Stoß, während
er auf dem Diwan saß. Er erwiderte diesen Stoß, hat
aber nur meinen Arm berührt. Und es bleibt nicht bei
scherzhaften Rempeleien. Zwischen
den beiden entwickelt sich ein Verhältnis, das mehrere Wochen
andauert, bis Barthel schließlich Anfang 1936 nach Schleiz
versetzt wird.
In der Altenburger
Homosexuellenszene findet Barthel also schnell Anschluss. Winter
gegenüber prahlt er sogar, den ebenfalls homosexuellen Arzt
Erich Bonde in einem Strafverfahren vor der drohenden Untersuchungshaft
bewahrt zu haben. Mit all dem erregt Barthel zunächst aber
keinen Anstoß, jedenfalls kann er seine Karriere auch nach
seinem Weggang aus Altenburg fortsetzen: Nach weiteren Stationen
als Hilfsrichter wird er zum Landgerichtsrat in Gera ernannt, wo
er sich bei allen Arbeitskameraden und bei der Bevölkerung
allgemeiner Beliebtheit erfreut".
Nach der Verhaftung
Winters im März 1937 gerät schließlich auch Barthel
ins Visier der Altenburger Polizei. Nach einer ersten Vernehmung
am 6.4.1937 lässt er sich sofort krankschreiben und zur Kur
in eine Klinik in Jena einweisen, aus der er sich nach Einleitung
des Ermittlungsverfahrens am 30. April absetzt. In einem Brief an
seine Mutter äußert er zunächst Selbstmordabsichten:
Liebe Mutter vergib mir. Wenn Du diese Zeilen liest, lebe
ich nicht mehr. Betet für mich. Schlagt die Erbschaft aus und
vergesst Heinrich. Sucht mich nicht. Bemerkenswert ist deren
Reaktion: Gegenüber der Polizei erklärt sie, dass die
Homosexualität kein Grund sei, ihren Sohn in den Tod
zu hetzen. Tatsächlich scheint sich Barthel aber nicht
umzubringen, sondern mit Hilfe homosexueller Beziehungen oder
wohlhabender Verwandter, die er besitzt, ins Ausland zu fliehen,
wie die Staatsanwaltschaft vermutet.
Während
das Strafverfahren am 27.7.1938 eingestellt wird, weil Barthel nicht
auffindbar ist, beschließt die Dienststrafkammer Jena
am 18.5.1938 seine Entfernung aus dem Dienst. Ihm wird
nicht nur zum Vorwurf gemacht, dass er durch seine strafbaren
Handlungen, die ihn in der Öffentlichkeit verächtlich
machen, die Achtung und das Vertrauen, die der Richterberuf erfordern,
völlig verloren habe. Vorgehalten wird ihm auch, dass
er sich selbst schuldig fühlt, was sich daraus ergebe,
dass er geflohen ist und sich verborgen hält. Gegen
das Beamtengesetz habe er im Übrigen schon verstoßen,
indem er ohne Urlaub seit Ende April 1937 dem Dienste fern
geblieben ist.
Barthels weiteres
Schicksal ist unklar.
Literaturtipp:
Alexander Zinn:
»Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle
Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link
zum Buchtipp
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