In den folgenden
Jahren sind die beiden ein Paar und das Zentrum eines homosexuellen
Freundeskreises, der sich bei privaten Feiern mit Kartenspielen,
Tanz und Travestie vergnügt. Um ihre Freundschaft zu besiegeln,
feiern sie schließlich sogar eine Hochzeit, zu der auch die
Verwandten eingeladen werden: "Das war eigentlich nicht im
ernstlichen Gedanken, das war ja alles nur im humoristischen Sinn
gemacht. Da war auch einer von meiner Verwandtschaft, der uns als
Pfarrer den Segen gegeben hat. Wir wollten ja auch keine ernstliche
Feier, wir wollten einfach gemütlich sein. Wir haben mit dieser
Hochzeit einfach eine schöne lustige Feier gehabt."
Im Frühjahr
1937 gerät erst sein Freund Reinhold
Winter ins Visier der Polizei, am 7. April wird auch Brazda
verhaftet. Das Landgericht Altenburg verurteilt ihn schließlich
zu sechs Monaten Gefängnis. Nach Verbüßung der Strafe
wird der Sohn tschechischer Einwanderer aus Deutschland ausgewiesen.
Brazda geht nach Karlsbad, wo er sich zunächst als Seifenverkäufer
durchschlägt. Später verdient er sein Geld mit Josephine-Baker-Imitationen
und zieht mit einer jüdischen Theatertruppe durch Böhmen.
Dabei lernt er auch seinen zweiten Freund Toni
Hartl kennen. Nach der Besetzung des Sudetenlandes durch deutsche
Truppen leben Brazda und Hartl zurückgezogen in Karlsbad.
1941 wird ein
Freund Brazdas denunziert, in der Folge werden auch Brazda und Hartl
verhaftet. Als "Wieder-holungstäter" wird Brazda
vom Landgericht Eger zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach
Verbüßung der Haftstrafe deportiert man ihn am 8.8.1942
ins Konzentrationslager Buchenwald. Wie die meisten "Rosa-Winkel-Häftlinge"
wird auch er der Strafkompanie des Steinbruchs zugeteilt. Mit Hilfe
verschiedener Kapos bekommt er schließlich eine weniger gefährliche
Tätigkeit in einem Baukommando zugeteilt. Nur durch diesen
Aufstieg in der 'Lagerhierarchie' überlebt Brazda letztlich
die KZ-Haft. Nach seiner Befreiung durch die Amerikaner lässt
er sich in Mülhausen (Frankreich) nieder, wo er einen neuen
Freund findet, mit dem er fünfzig Jahre zusammenlebt.
Wie den meisten
anderen Verfolgten ist auch Brazda eine Rehabilitierung wichtig.
Am 6.4.1988 stellt er einen Entschädigungsantrag nach der neu
geschaffenen Härtefallregelung des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes.
Doch der Antrag wird gar nicht erst bearbeitet. Zur Begründung
teilt man ihm nach neun Monaten mit, dass "nach § 5 der
Richtlinien gefordert wird, dass der Antragsteller die deutsche
Staatsangehörigkeit haben muss". Obwohl in Deutschland
geboren und aufgewachsen, wurde Brazda die deutsche Staatsangehörigkeit
nie zuerkannt, seit Anfang der 60er Jahre ist er französischer
Staatsbürger.
Doch Brazda
gibt sich damit nicht zufrieden und legt Widerspruch ein. Er möchte
nur eine "einmalige Wiedergutmachung", denn es geht ihm
allein um die gewisse noch nicht bekommene Entschädigung,
dass ich die Genugtuung habe, für das, was ich
durchgemacht hatte. Er möchte nur die Wiedergutmachung,
die auch alle, die in Frage kommen, bekommen haben. Die
Oberfinanzdirektion Freiburg zeigt in ihrem Antwortschreiben zwar
Verständnis für Brazdas schweres Schicksal,
kann ihm aber auch nur die vollkommen aussichtslose Rechtslage erläutern.
Dieser reagiert darauf nicht mehr, was als Rücknahme seines
Antrages gewertet wird.
Als Brazda 2008
von der bevorstehenden Einweihung des Berliner "Denkmals für
die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen" hört,
wendet er sich an den Berliner Lesben- und Schwulenverband. Zum
Christopher Street Day im Juni 2008 reist er nach Berlin und besichtigt
das Denkmal gemeinsam mit Berlins Regierendem Bürgermeister
Klaus Wowereit. Das immerhin ist für ihn eine gewisse "Genugtuung".
Gemeinsam mit
dem Historiker Alexander Zinn erarbeitet Brazda seine Biografie,
die im April 2011 im Campus Verlag erscheint. Brazda stirbt am 3.8.2011
im Alter von 98 Jahren in einem Pflegeheim im elsässischen
Bantzenheim.
Literaturtipps:
Alexander Zinn:
"Das Glück kam immer zu mir". Rudolf Brazda
Das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich. Frankfurt
am Main 2011: Campus. Link
zum Buchtipp
Alexander Zinn:
"Aus dem Volkskörper entfernt"? Alltag und Verfolgung
homosexueller Männer im "Dritten Reich". Dissertation
am Max Weber Kolleg der Universität Erfurt. Berlin 2016.
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