Aufruf zur Rehabilitierung von Dr. Hans Holbein

Anlässlich des 100. Jahrestages der Gründung der Holbein-Stiftung fordern mehr als hundert Persönlichkeiten und Organisationen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft die Rehabilitierung des thüringischen Juristen Dr. Hans Holbein (1864-1929), die Wiederherstellung seines Grabsteines auf dem Weimarer Friedhof und die Einrichtung eines Forschungszentrums zur Homosexualität an der Universität Jena. Die Initiative steht unter der Schirmherrschaft von Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen a. D. (Foto).

Der Aufruf im Wortlaut

 
 

Forschung zu Homosexualität?

Unter diesem Titel widmete sich die Universität Jena am 14. Januar 2020 dem Vermächtnis von Dr. Hans Holbein. In drei Kurzvorträgen wurde die Geschichte der Holbein-Stiftung beleuchtet. In einer Podiumsrunde ging es dann um die Perspektiven einer Institutionalisierung der Forschung zu Homosexualitäten und mögliche weitere Schritte dahin.

Weitere Infos zur Veranstaltung

 
 

Prominente Unterstützung für Holbein-Institut

Prominente Pesönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft unterstützen die Idee einer Institutionalisierung von Forschung und Lehre zu Geschichte und Gegenwart der Homosexualitäten an der Universität Jena. Der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Prof. Dr. Johannes Tuchel (Foto), erklärte, die Einrichtung eines Forschungszentrums wäre "ein deutliches Zeichen gegen Homophobie und Intoleranz". Der thüringische Minister-präsident Bodo Ramelow sprach sich dafür aus, "Forschung und Lehre endlich auf ein stabiles Fundament zu stellen". Auch Oppositionsführer Mike Mohring plädiert für die "Neugründung der Holbein-Stiftung und die Intensivierung der Forschung zu Geschichte und Gegenwart der Homosexualitäten". Der Präsident der Universität hat die Idee eines Forschungsinstitutes in einer ersten Reaktion begrüßt.

Die Stellungnahmen im Wortlaut

 
 

Forschung zu Homosexualitäten als Chance

Die Wiederbelebung der Holbein-Stiftung in Form eines interdisziplinären Hans-Holbein-Instituts wäre für die FSU Jena eine Chance. In der Geschichte der Homosexualitäten kristallisieren sich all die Visionen und Enttäuschungen, die mit dem Projekt der Aufklärung verknüpft waren und sind. Ein Hans-Holbein-Institut könnte die dialektischen Prozesse von Repression und Emanzipation herausarbeiten, die ihre Geschichte prägten und so zu der grundlegenden Frage nach der "Dialektik der Aufklärung" vorstoßen. Das Vermächtnis Holbeins ist keine historische Last. Es ist eine Zukunfts- und Innovationschance, mit der sich die FSU an die Spitze der Forschung über Homosexualität setzen kann.

Informationen zur geplanten Neugründung der Holbein-Stiftung

 
 

Gedenkfeier zu Holbeins 90. Todestag

Zum 90. Todestag Holbeins am 14. September 2019 richtete die Initiative Holbein-Stiftung in Kooperation mit dem Haus der Weimarer Republik und dem Verein QueerWeg eine Gedenkfeier aus. Festredner war Thüringens Justizminister Dieter Lauinger (Foto), der Holbein als wichtigen Vorkämpfer für die Freiheit Homosexueller würdigte und seine Unterstützung für die Gründung eines Hans-Holbein-Institutes an der FSU Jena signalisierte. Er persönlich, so Lauinger, würde eine solche Institutsgründung "ausdrücklich begrüßen". Für das Anliegen einer Institutionalisierung von Lehre und Forschung zur Homosexualität ist das ein wichtiges Signal.

Weitere Informationen zur Gedenkfeier

 
 

100 Jahre Holbein-Stiftung

Am 24. August 1919 wurde die Holbein-Stiftung gegründet. Holbeins Ziel war es, an der Universität Jena einen akademischen "Lehrstuhl für Geschlechtswissenschaft" unter besonderer Berücksichtigung der "Bi- und Homosexualität" einzurichten. Verwirklicht werden sollte dies nach Holbeins Tod. Doch als der Stifter 1929 starb und der Universiät zusätzliche 100.000 Reichsmark vererbte, verweigerte diese die Umsetzung des Vermächtnisses und schlug das Erbe aus. Zur Begründung hieß es, dass die Universität ansonsten "zu einem Sammelpunkt unerwünschter Elemente würde“.

Weitere Informationen zur Geschichte der Holbein-Stiftung

 
 

Die Zerstörung von Holbeins Grabstein

In seinem Testament hatte Holbein genaue Bestimmungen über seine Bestattung, seinen Grabstein und die darauf anzubringende Inschrift getroffen. Diese sollte lauten: „Hier ruht in Gott Dr. Hans Holbein, Anwalt des Rechts, Kämpfer für Freiheit des 3. Geschlechts“. Trotz anfänglicher Bedenken des Weimarer Stadtbauamtes wurde Holbeins Grabstein 1930 in dieser Form realisiert. Nach der NS-Machtübernahme wurde er jedoch zum Stein des Anstoßes. Die Grabinschrift wurde schließlich „ausgemeißelt“.

Weitere Informationen zur Zerstörung des Grabsteins

 
 

Holbeins Kampf gegen den § 175

Holbeins Kampf galt dem Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches, der die Homosexualität unter Männern mit Gefängnis bedrohte. Mit seiner Stiftung wollte er die Aufklärung über Bi- und Homosexualität fördern und so dazu beitragen, die Kriminalisierung und Stigmatisierung Homosexueller zu überwinden. Als Rechtsanwalt vertrat er zahlreiche schwule Männer, die nach § 175 angeklagt worden waren. Als einer der Obmänner des "Wissenschaftlich-humanitären Komitee", engagierte er sich darüber hinaus in der weltweit ersten Lobbyorganisation Homosexueller für die Abschaffung des Paragrafen.

Weitere Informationen zu Holbeins Kampf gegen den § 175

 


     

© Alexander Zinn 2019